Schrittfrequenzbasierte Geh‑Zonen

Steuern Sie die Trainingsintensität über Schritte pro Minute – beim Gehen präziser und zugänglicher als Herzfrequenz

Warum schrittfrequenzbasierte Zonen?

Neuere Forschung (CADENCE‑Adults, Tudor‑Locke et al., 2019–2021) zeigt, dass Schrittfrequenz (Schritte pro Minute) die Geh‑Intensität genauer vorhersagt als Herzfrequenz. Während die Herzfrequenz u. a. von Hydrierung, Temperatur, Stress oder Koffein beeinflusst wird, spiegelt die Schrittfrequenz direkt Bewegungsfrequenz und Stoffwechselbedarf wider.

Vorteile gegenüber Herzfrequenz

  • Kein Equipment nötig: 30 Sekunden Schritte zählen und verdoppeln
  • Gehen‑spezifisch: Forschung direkt fürs Gehen, nicht aus dem Laufen abgeleitet
  • Konstant über Bedingungen: Unabhängig von Hitze, Dehydrierung oder Koffein
  • Altersunabhängig: Dieselben Schwellenwerte funktionieren für 21–85 Jahre
  • Sofortiges Feedback: Intensität ohne Uhr direkt erkennbar
  • Wissenschaftlich validiert: 86% Sensitivität, 89,6% Spezifität für moderat bei 100 spm

Forschung als Grundlage

Die CADENCE‑Adults‑Studien untersuchten Hunderte Erwachsenen verschiedener Altersgruppen (21–40, 41–60, 61+) und legten universelle Schwellen fest:

  • 100 Schritte/min = 3 METs (Schwelle für moderate Intensität)
  • 130 Schritte/min = 6 METs (Schwelle für hohe Intensität)
  • Moore et al. (2021): METs = 0,0219 × Schrittfrequenz + 0,72
  • Das Modell ist 23–35% genauer als geschwindigkeitsbasierte ACSM‑Gleichungen

Die 5 schrittfrequenzbasierten Zonen

Jede Zone zielt auf andere physiologische Anpassungen. Die meisten Gesundheitsvorteile liefert Zone 2 (100–110 spm); Zone 3–4 baut Fitness auf.

Zone 1: Erholung & Alltag

60–99 spm 1,5–2,5 METs ~50–60% HFmax

Gefühl: Sehr leicht, Unterhalten problemlos, kaum beschleunigte Atmung

Physiologische Effekte:

  • Aktive Erholung zwischen intensiveren Einheiten
  • Fördert Durchblutung und Nährstoffversorgung
  • Reduziert Stress (Cortisol ↓)
  • Verbessert mentale Gesundheit und Stimmung
  • Unterstützt NEAT (Alltagsbewegung)

Einsatz:

  • Tag nach zügigem Gehen oder Laufen
  • Warm‑up und Cool‑down (5–10 Minuten)
  • Tägliche Alltagswege (Einkaufen, Erledigungen)
  • Telefonieren beim Gehen
  • Sanfte Mobilisation für Senior:innen

Wochenumfang: Kein Limit – baseline Alltagsaktivität

Beispiele:

  • Gemütlicher Abendspaziergang
  • Einkaufszentrum in komfortablem Tempo
  • Mit dem Hund langsam spazieren
  • Erholungsspaziergang nach langer Wanderung

💡 Tipp: Zone 1 nicht unterschätzen! Gesamte Alltagsbewegung (inkl. Zone 1) trägt deutlich zu Stoffwechselgesundheit und Langlebigkeit bei.

Zone 3: Moderat‑vigouröse Intensität

110–120 spm 4–5 METs ~70–80% HFmax

Gefühl: Sehr zügig, nur kurze Sätze möglich, deutlich beschleunigte Atmung, spürbar fordernd

Physiologische Effekte:

  • Verbessert VO₂max und Herz‑Kreislauf‑Fitness
  • Erhöht aerobe Kapazität
  • Steigert muskuläre Ausdauer (Beine, Core)
  • Höherer Kalorienverbrauch als Zone 2
  • Bereitet auf intensivere Aktivitäten vor
  • Verbesserte Laktat‑Clearance

Einsatz:

  • 10–20% Wochenanteil für Fitness‑Geher:innen
  • 1–2 gezielte Einheiten pro Woche
  • Tempo‑Walks (20–40 Min am Stück)
  • Anstiege drücken natürlich in Zone 3
  • Schnelle Abschnitte in längeren Zone‑2‑Walks

Wochenumfang: 30–60 Min total für Fitness; weniger/kein Bedarf für reine Gesundheit

Trainingstipp:

Tempo‑Protokoll: 10 Min Zone 1 Aufwärmen → 20–30 Min Zone 3 → 10 Min Zone 1 Abwärmen

Beispiele:

  • Schnelles Gehen mit Leistungsabsicht
  • Moderate Steigung (5–10%) bergauf
  • Nordic Walking mit kräftigem Armeinsatz
  • Intervalle: 5 Min Zone 3 + 3 Min Zone 2, wiederholen

Zone 4: Hohe Intensität

120–130 spm 5–6 METs ~80–90% HFmax

Gefühl: Sehr schnell, Sprechen schwierig (nur wenige Wörter), harte Atmung, deutliche Beinbelastung, Nähe zur Schwelle

Die 130‑spm‑Schwelle

130 spm = 6 METs = hohe Intensität (Tudor‑Locke et al., 2020) – entspricht der WHO/AHA‑Definition für „vigourous“.

Physiologische Effekte:

  • Erhöht VO₂max deutlich
  • Hebt die Laktatschwelle an
  • Verbessert Leistungsfähigkeit bei hoher Intensität
  • Maximiert kardiovaskuläre Anpassungen
  • Hoher Energieverbrauch
  • Steigert metabolische Effizienz

Einsatz:

  • 5–10% Wochenanteil für fortgeschrittene Geher:innen
  • 1× pro Woche als Intervall
  • Kurze Belastungen (2–8 Min) mit Erholung
  • Training für Wettkampfsport Gehen

Wochenumfang: 15–30 Min (in Intervallen); für allgemeine Gesundheit nicht erforderlich

Intervall‑Protokoll:

Zone‑4‑Session:

  • Aufwärmen: 10 Min Zone 1–2
  • Hauptsatz: 6 × 3 Min Zone 4 mit 2 Min Zone 1 Erholung
  • Abwärmen: 10 Min Zone 1
  • Total: 52 Min (18 Min Zone 4, 34 Min Zone 1–2)

Beispiele:

  • Power‑Walking mit betontem Armeinsatz
  • Steile Bergintervalle (10–15% Steigung)
  • Techniktraining Wettkampfgehen
  • Laufband‑Intervalle mit hoher Steigung oder Geschwindigkeit

⚠️ Nicht für alle nötig: Für Gesundheit reicht Zone 2. Erst Konstanz in Zone 2, dann ggf. Zone 4 ergänzen.

Zone 5: Maximale Anstrengung

>130 spm >6 METs ~90–100% HFmax

Gefühl: Maximales Geh‑Tempo, kein Sprechen möglich, maximale Atmung, Brennen in den Beinen, >1–2 Min nicht haltbar

Frequenzbereiche:

  • 130–140 spm: Sehr intensives Power‑Walking
  • 140–160 spm: Technik des Wettkampfgehens erforderlich
  • 160–180 spm: Elite‑Wettkampfgehen

Physiologische Effekte:

  • Entwickelt maximale kardiovaskuläre Kapazität
  • Maximiert anaerobe Schwelle
  • Verbessert neuromuskuläre Koordination bei hohem Tempo
  • Wettkampfspezifische Kondition

Einsatz:

  • <5% Wochenanteil, wenn überhaupt
  • Wettkampfgehen & Training
  • Sehr kurze Intervalle (30 s – 2 Min)
  • Freizeit‑Geher:innen benötigen Zone 5 in der Regel nicht

Wochenumfang: 5–15 Min in Intervallen; optional außer fürs Wettkampfgehen

VO₂max‑Intervalle:

Fortgeschrittene Wettkampf‑Session:

  • Aufwärmen: 15 Min progressiv Zone 1–3
  • Hauptsatz: 8–12 × 1 Min Zone 5 mit 2 Min Zone 1 Erholung
  • Abwärmen: 10 Min Zone 1

Hinweis für Gesundheits‑Geher:innen: Zone 5 ist nicht notwendig für Gesundheit, Langlebigkeit oder Gewichtsmanagement. Alle Vorteile sind mit Zone 2–3 erreichbar. Zone 5 ist Performance‑orientiert.

Schnellreferenz: Alle Zonen

Zone Schrittfrequenz (spm) METs Intensität Sprechtest Wochen‑%
Zone 1 60–99 1,5–2,5 Sehr leicht Unterhaltung problemlos Baseline
Zone 2 100–110 3–4 Moderat Komplette Sätze 60–80%
Zone 3 110–120 4–5 Mod‑vigourös Kurzsätze 10–20%
Zone 4 120–130 5–6 Hoch Wenige Wörter 5–10%
Zone 5 >130 >6 Maximal Kein Sprechen 0–5%

Schrittfrequenz messen

Methode 1: Manuell (ohne Gerät)

  1. 1–2 Min im normalen Tempo gehen, um sich zu stabilisieren
  2. 30 Sekunden Schritte zählen (entweder rechter Fuß zählen und ×2, oder beide Füße zählen)
  3. ×2 = Schritte pro Minute
  4. Mit Zielzonen vergleichen

Beispiel: 52 Schritte in 30 Sek → 52 × 2 = 104 spm = Zone 2 ✓

Methode 2: Apple Watch / Fitness‑Tracker

  • Die meisten Tracker zeigen die Echtzeit‑Schrittfrequenz
  • Apple Watch zeigt sie in der Training‑App während Geheinheiten
  • Walk Analytics liefert detaillierte Auswertungen nach dem Workout

Methode 3: Metronom‑App

  • Metronom auf Ziel‑Frequenz einstellen (z. B. 100 BPM = 100 spm)
  • Im Takt gehen
  • Trainiert das Körpergefühl für verschiedene Frequenzen
  • Ideal für Intervalltraining

Methode 4: Musik‑Tempo

  • Musik mit BPM passend zur Ziel‑Frequenz nutzen
  • 100 BPM‑Songs für Zone 2
  • 120 BPM‑Songs für Zone 3
  • Schritte mit dem Beat synchronisieren

Beispiel‑Trainingspläne nach Ziel

Ziel 1: Gesundheit & Langlebigkeit

Fokus: 150+ min/Woche bei ≥100 spm (Zone 2) sammeln

Wochenplan:

  • Mo: 30 Min Zone 2 (100–110 spm)
  • Mi: 45 Min Zone 2
  • Fr: 30 Min Zone 2
  • Wochenende: 60 Min Zone 2

Wochentotal: 165 Min, alles Zone 2

Progression: Sobald komfortabel, eine Einheit/Woche um ~10% steigern

Ziel 2: Gewichtsmanagement & Fitness

Fokus: Mehr Volumen in Zone 2, Zone 3 für Abwechslung

Wochenplan:

  • Mo: 45 Min Zone 2 (100–110 spm)
  • Di: 30 Min Zone 1 (80–90 spm)
  • Do: 30 Min mit 3 × 5 Min Zone 3 (110–120 spm), 3 Min Zone 2 Erholung
  • Sa: 60–90 Min Zone 2
  • So: 45 Min Zone 2

Wochentotal: 210–240 Min, ~85% Zone 2, ~15% Zone 3

Ziel 3: Intervall‑Walking‑Training (IWT)

Fokus: Evidenzbasiertes Protokoll für Fitness & Stoffwechsel (Karstoft et al., 2024)

IWT‑Session:

  • Aufwärmen: 5 Min leicht (80–90 spm)
  • Hauptsatz: 3 Min schnell (≥120 spm) + 3 Min langsam (80 spm) × 5
  • Abwärmen: 5 Min leicht (80–90 spm)
  • Gesamtzeit: 40 Min

Wochenplan:

  • Mo: 45 Min Zone 2
  • Mi: 40 Min IWT
  • Fr: 45 Min Zone 2
  • So: 60 Min Zone 2

Vorteile ggü. kontinuierlichem Gehen: VO₂max +15–20%, Kraft +12%, HbA1c −0,8% (Typ‑2‑Diabetes)

Ziel 4: Fortgeschrittene Fitness / Wettkampfgehen

Fokus: Polarisierte Planung mit Zone‑2‑Basis + Intervallen in Zone 4–5

Wochenplan:

  • Mo: 60 Min Zone 2 (100–110 spm)
  • Di: 45 Min mit 6 × 3 Min Zone 4 (120–130 spm), 2 Min Erholung
  • Mi: 30 Min Zone 1 (70–90 spm)
  • Do: 50 Min Tempo Zone 3 (110–120 spm am Stück)
  • Sa: 30 Min mit 10 × 1 Min Zone 5 (>130 spm), 2 Min Erholung
  • So: 90–120 Min langer Walk Zone 2

Wochentotal: 305–335 Min, ~70% Zone 2, 20% Zone 3–4, 10% Zone 5

Und Herzfrequenz‑Zonen?

Herzfrequenz‑Zonen sind weiterhin nützlich, doch für Gehen ist Schrittfrequenz praktischer und genauer:

Aspekt Schrittfrequenz‑Zonen HF‑Zonen
Equipment Nichts (manuelles Zählen möglich) HF‑Gurt oder Smartwatch nötig
Genauigkeit fürs Gehen Direkt fürs Gehen validiert Oft aus Laufforschung abgeleitet
Konstanz Gleiche Schwellen jeden Tag Variiert mit Hydrierung, Temperatur, Stress, Koffein

Häufige Fehler & Korrekturen

1. Zu langsam in "Zone 2"

Problem: Man glaubt, in Zone 2 zu gehen, ist aber bei 90–95 spm (Zone 1)

Lösung: Schrittfrequenz regelmäßig prüfen. Zone 2 fühlt sich zielgerichtet und zügig an

Fix: Beschleunigen, bis ≥100 spm erreicht sind

2. Zu hart an leichten Tagen

Problem: Jede Einheit wird 115+ spm, keine echte Zone 2

Lösung: Die meiste Zeit konversationstauglich gehen. Intensität für harte Tage aufsparen

Fix: Metronom auf 105 BPM setzen und an leichten Tagen nicht überschreiten

3. Keine progressive Überlastung

Problem: Seit Monaten täglich 30 Min bei 100 spm unverändert

Lösung: Dauer schrittweise erhöhen, 1 Zone‑3‑Einheit/Woche hinzufügen oder Frequenz leicht anheben

Fix: ~10% Volumen pro Woche hinzufügen oder 1 Intervall‑Session ergänzen

4. Zu früh zu viel Intensität

Problem: Einstieg mit Zone 4–5 ohne Zone‑2‑Basis

Lösung: Erst 4–6 Wochen konsistentes Zone‑2‑Gehen (≥150 min/Woche), dann Intensität ergänzen

Fix: 80/20‑Regel: 80% Zone 2, 20% Zone 3–5

5. Individuelle Variation ignorieren

Problem: 110 spm erzwingen, obwohl es sehr hart wirkt

Lösung: Schwellen sind Bevölkerungsmittel. Wenn 105 spm für Sie moderat ist, passt das

Fix: Schrittfrequenz als Leitplanke verwenden – Körpergefühl einbeziehen

Nächste Schritte

Ganganalyse

Mehr zu Schrittlänge, Symmetrie und weiteren biomechanischen Kennzahlen.

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Trainingsbelastung

So quantifizieren und steuern Sie Ihre wöchentliche Geh‑Belastung.

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Wissenschaft

CADENCE‑Adults und weitere Studien, die Frequenz‑Training stützen.

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Formeln & Berechnungen

Gleichungen zur Umrechnung von Schrittfrequenz in METs und Energie.

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