Trainingsbelastung beim Gehen managen

Wissenschaftlicher Ansatz, um Trainingsreiz, Anpassung und Erholung ins Gleichgewicht zu bringen

Was ist Trainingsbelastung?

Trainingsbelastung quantifiziert den kumulativen physiologischen Stress durch Geh‑Workouts. Sie integriert drei Dimensionen:

  1. Dauer: Wie lange Sie gehen
  2. Intensität: Wie hart (Schrittfrequenz, Herzfrequenz, Geschwindigkeit)
  3. Häufigkeit: Wie oft pro Woche

Gutes Belastungsmanagement ermöglicht kontinuierliche Fortschritte bei minimalem Verletzungs‑ und Überlastungsrisiko. Trainingsorientiertes Gehen erfordert systematische Progression und Erholungsplanung.

Forschungs‑Insight: Die Beziehung zwischen Belastung und Anpassung folgt einer inversen U‑Kurve: zu wenig → keine Anpassung; optimal → Verbesserung; zu viel → Übertraining/Verletzung (Soligard et al., 2016).

Peak‑30 Schrittfrequenz

Peak‑30 ist die durchschnittliche Schrittfrequenz während der besten durchgehenden 30 Minuten pro Tag. Sie sagt Gesundheitsoutcomes/Mortalität unabhängig von Gesamtschritten voraus (Del Pozo‑Cruz 2022, n=78.500).

Schwellen & Gesundheit

Peak‑30KlassifikationMortalitätsrisikoStatus
<60 spmSehr niedrigReferenz (höchstes)Sitzendes Muster
60–79 spmNiedrig~15 % niedrigerGelegenheits‑Gehen
80–99 spmModerat~30 % niedrigerRegelmäßiges Gehen
100–109 spmZügig~40 % niedrigerFitness‑orientiert
≥110 spmSehr zügig~50 % niedrigerHohe Fitness

Kernaussage: ≥100 spm entspricht MVPA (moderat‑bis‑vigourös) – Schwelle für substanzielle Gesundheitsnutzen.

Trainingsimplikationen

  • Zielsetzung: ≥100 spm an ≥5 Tagen/Woche
  • Workout‑Design: Täglich ≥1 zügiger 30‑Min‑Block
  • Tracking: Peak‑30‑Anstieg mit steigender Fitness
  • Intensitätsvorgabe: Schrittfrequenz‑Zonen statt HF

Zügige Blöcke: Qualität vor Quantität

Ein zügiger Block ist ≥10 Min bei ≥100 spm ohne Abfall >1–2 Min unter die Schwelle.

Warum sinnvoll?

  • Kardio‑Anpassung: Anhaltend erhöhte HF → aerobe Verbesserungen
  • Metabolik: 10+ Min aktivieren Pfade vollständig
  • Fertigkeit: Höhere Frequenz stabilisiert Technik
  • Psychologie: „Workout‑Mindset“ statt zufällige Bewegung

Wochenziele für zügige Blöcke

LevelMin/WocheAnzahl BlöckeBeispiel
Einsteiger75–1003–4 × 20–30Mo/Mi/Fr je 25 Min
Fortgeschritten150–2005–6 × 25–40Täglich 30 Min + 1 langer Walk
Ambitioniert200–300+5–7 × 30–60Täglich 40 Min + Intervalle + lang

Leitlinien: 150 Min/Woche bei ≥100 spm erfüllen WHO/CDC‑Empfehlungen.

Qualitätsmerkmale

  1. Frequenzstabilität: ±5 spm um den Zielwert
  2. Dauer: Längere Blöcke (30–45 Min) sind wertvoller als viele kurze
  3. Intensität: Höhere Durchschnitts‑Frequenz (110 > 100 spm)
  4. Konsistenz: 5–7 Tage/Woche > 3 Tage

Walking Stress Score (WSS)

WSS quantifiziert die Belastung einzelner Einheiten – analog zu TSS im Ausdauertraining.

Berechnungsmethoden

Entweder Herzfrequenz oder Schrittfrequenz als Intensitätsmetrik:

Methode 1: HF‑basiert

WSS = Σ (Minuten in Zone × Zonen‑Faktor)

Zonen‑Faktoren:
  Zone 1 (50–60% HFmax): 1,0
  Zone 2 (60–70% HFmax): 2,0
  Zone 3 (70–80% HFmax): 3,0
  Zone 4 (80–90% HFmax): 4,0
  Zone 5 (90–100% HFmax): 5,0

Beispiel (60 Min): 10 Min Zone 1 (=10), 40 Min Zone 2 (=80), 10 Min Zone 1 (=10) → WSS = 100.

Methode 2: Frequenz‑basiert

WSS = Σ (Minuten bei Frequenz × Frequenz‑Faktor)

Frequenz‑Faktoren:
  60–99 spm (leicht): 1,0
  100–109 spm (moderat): 2,5
  110–119 spm (mod‑vigourös): 3,5
  120–129 spm (vigourös): 4,5
  ≥130 spm (sehr vigourös): 6,0

Vorteil: Braucht keinen HF‑Gurt – praxistauglich für die meisten Geher:innen.

Typische WSS nach Einheitstyp

WorkoutDauerIntensitätWSS
Recovery20–30 MinZone 1, <100 spm20–30
Leicht aerob30–45 MinZone 2, 100–105 spm60–90
Zügig stetig45–60 MinZone 2, 105–110 spm90–150
Tempo30–40 MinZone 3, 110–120 spm90–140
Intervalle40–50 MinGemischt, Peaks ≥120 spm120–200
Lange Ausdauer90–120 MinZone 2, 100–110 spm180–300
Wettkampf‑Training60–90 MinZone 3–4, 120–140 spm200–400

Wöchentliche Belastung

Individuell nach Level, Zielen und Zeitbudget – Richtwerte in WSS und zügigen Minuten:

Einsteiger (0–6 Monate)

  • WSS/Woche: 150–300
  • Zügige Minuten (≥100 spm): 75–120
  • Gesamtzeit Gehen: 120–200 Min
  • Peak‑30: 90–100 spm
  • Einheiten/Woche: 4–5
  • Fokus: Konstanz, Gewohnheit, Technik
  • Progression: +5–10 % pro Woche

Beispiel (WSS ≈ 250): Mo 30 Min @100 (50), Mi 35 Min @105 (70), Do 25 Min @95 (40), Sa 45 Min @102 (90).

Fortgeschritten (6–18 Monate)

  • WSS/Woche: 300–550
  • Zügige Minuten: 150–250
  • Gesamtzeit: 250–400 Min
  • Peak‑30: 105–115 spm
  • Einheiten/Woche: 5–6
  • Fokus: Aerobe Kapazität, Tempohärte, Intervalle
  • Progression: +10 %/Woche mit Erholungswochen

ACWR (Acute:Chronic Workload Ratio)

ACWR = Wochenlast / 4‑Wochen‑Durchschnitt (z. B. WSS). Zielbereich ~0,80–1,30.

ACWRRisikoInterpretationAktion
<0,80NiedrigUnterlastLast halten/leicht erhöhen
0,80–1,00NiedrigSicherBeibehalten
1,00–1,30NiedrigOptimale Progression„Sweet Spot“
1,30–1,50ModeratSchneller AnstiegMüdigkeitszeichen monitoren
>1,50HochGefährlicher SpikeLast reduzieren, Erholung priorisieren
Befund: ACWR > 1,50 → 2–4× höheres Verletzungsrisiko vs. 0,80–1,30 (Gabbett 2016) – übertragbar auf Geh‑Training.

Praxisbeispiele

Szenario 1: Rückkehr nach Krankheit

  • Vorher: 400 WSS/Woche → 28‑Tage‑Ø ≈ 285 nach 10 Tagen Pause
  • Nicht direkt auf 400 springen (ACWR ≈ 1,40)
  • Besser: 250–300 WSS (ACWR ≈ 0,88–1,05)

Szenario 2: Ambitionierte Steigerung

  • Aktueller 4‑Wochen‑Ø: 350 WSS
  • Geplant 500 WSS → ACWR ≈ 1,43 (erhöhtes Risiko)
  • Besser: 420–450 WSS (ACWR ≈ 1,20–1,29)

Progressionsstrategien

10‑%‑Regel (mit Nuancen)

  • Einsteiger: +5–10 %/Woche sinnvoll
  • Erfahren: +10–15 % tragbar, wenn ACWR < 1,30
  • Nach Pausen: Langsamer (+5 %)
  • Bei hoher Last: Halten/Reduzieren statt weiter erhöhen

Periodisierung: 3:1‑Modell

3 Wochen steigern, 1 Woche Erholung:

WocheWSSÄnderungPhase
1300BaselineAufbau
2330+10 %Aufbau
3365+11 %Aufbau
4220−40 %Erholung
5400+10 %Aufbau
6440+10 %Aufbau
7485+10 %Aufbau
8290−40 %Erholung

Werkzeuge: WSS‑Rechner, Schrittfrequenz‑Rechner.